25 Ju-Jutsu-Sportler schaffen den nächsten Gürtel

Unterwössen – „Tschaa“ ruft der Ju-Jutsu-Kämpfer seinem mit einem Messer bewaffneten Gegner ins Gesicht. Eine halbe Sekunde später liegt der Messerstecher mit verdrehten Armen auf dem Bauch und der Verteidiger sagt „festgelegt“. Hunderte solche Abwehrtechniken zeigten die Sportler des Kampfsportvereins Unterwössen (KSV) bei der Gürtelprüfung am 28. Juli 2017. Bei den Erwachsenen traten 11 Sportler zum nächsthöheren Gürtel an, bei den Kindern waren es sogar 14. Nach 5 ½ Stunden konnte Dr. Hellmut Münch, 5. Dan und einer der beiden Cheftrainer des KSV, allen 25 Ju-Jutsuka gratulieren.

 

Die sog. Minis, die Jugendtrainer Sascha Seeger in den letzten Monaten intensiv auf diesen Tag vorbereitet hat, zeigten u.a. Schrittschule, Falltechniken, Schlag- und Tritttechniken und einfache Würfe wie das „Beinstellen“. Eltern und Bekannte konnten bestaunen, wie geschickt sich die kleinen Kämpfer bewegten und wie viel Spaß Ju-Jutsu auch schon als Weiß- oder Gelbgurt macht.

 

Bei der Erwachsenenprüfung zeigten einige Prüflinge Nerven, was mitunter am hohen Besuch aus Germering lag. Als vereinsfremder Zweitprüfer fungierte diesmal eine Ju-Jutsu-Legende. Großmeister Dieter Meyer hat nicht nur den 8. Dan Ju-Jutsu, er war auch jahrzehntelang der Leiter der bayerischen Prüfungskommission und er ist bis heute der „Mr. Technik“ in Bayern. Da auch drei Anwärter zum braunen Gürtel – dem höchsten Schülergrad vor dem schwarzen Meister-Gürtel - geprüft wurden, waren spannende Kämpfe zu sehen. Bodenkampf, freier Kampf gegen Schlagpolster und Abwehr von bewaffneten Angreifern forderten alle Sportler auch konditionell. Beim Prüfungsfach „Gegen- und Weiterführungstechniken“ verlangte Prüfer Meyer von den Angreifern: „Du musst dich wirklich widersetzen und es deinem Partner wirklich schwermachen, die geplante Technik durchzusetzen“. Aber auch diese Übungen wurden mit Bravour erledigt. Sein Resümee fiel deshalb sehr positiv aus: „Es war eine Prüfung auf hohem technischen Niveau und ich gratuliere allen, die Ihren Gürtel heute bestanden haben“. 

Kummoyeeh hat alle begeistert

 

Zuallererst: Was ist Kummooyeh überhaupt? Es handelt sich um eine koreanische Kampfsportart, in der mit Schwert und Bogen geübt wird.

(Kum = Schwert, Mooyeh = Kampfkunst), auch Kumdo genannt.

 

Der außergewöhnliche Lehrgang wurde geleitet von Großmeister Jang, Hyun Kyoo (8. Dan), Generaldirektor der World Kummooyeh Federation, zweithöchster Meister dieser Kampfkunst der Welt. Er fand am Sonntag, dem 23.07.2017 in Unterwössen statt und dauerte von 9:30 bis 12:00 Uhr (für Kinder & Erwachsene) und von 13:00 bis 15:30 Uhr (für Erwachsene).

Einen Tag zuvor noch, am Samstag, dem 22.07., hatte der Großmeister mit seinen Instruktoren einen Auftritt im Zirkus-Krone-Bau in München anlässlich der Kampfsport-Gala 2017 der BTU (BTU = Bayrische Taekwondo-Union) vor 2000 Zuschauern.

 

Das KSV-Mitglied Frank Düren (3. Dan TKD, 1. Dan Kumdo, Verbandsarzt der DTU) hat es durch seine Beziehungen geschafft, den Großmeister nach Unterwössen zum KSV zu holen. 

Zahlreiche Gäste auch anderer JJ- und TKD-Vereine fanden sich ein, um diesem besonderen Lehrgang beizuwohnen. Den weitesten Anfahrtsweg hatte wohl ein Taekwondoka aus Schleswig-Holstein (über 1000 km!), der sich schon um 2:00 Uhr in der Frühe auf den Weg gemacht hatte.

 

Da Meister Jang von etlichen Kumdo-Instruktoren unterstützt wurde, konnten kleine Übungsgruppen gebildet werden. Alle Anweisungen des Großmeister fanden in englischer Sprache statt. Dies war aber für keinen Teilnehmer ein Hindernis, weil die Instruktoren alle nicht verstandenen Anweisungen ins Deutsche übersetzten.

 

Schon das Aufwärmen wich von dem im JJ gewohnten ab, weil die körperliche Belastung bei Übungen mit Schwert oder Bogen eine ganz andere ist als bei den Hebeln und Würfen aus dem JJ.

Um die ersten Bewegungen kennenzulernen (Schwertziehen mit Schritt, Drehungen, Einstecken), wurde mit stark gepolsterten Schwertern geübt, von denen keine Gefahr ausging.

 

Während dies noch alle Teilnehmer gemeinsam durchführten, wurden anschließend kleine Übungsgruppen gebildet, die von je einem Instruktor betreut wurden.

Zum Einstimmen wurden kleine Reaktionsspielchen durchgeführt: das gepolsterte Übungsschwert wurde durch den Instruktor in der Mitte der Übungsgruppe hoch, tief oder schräg von oben nach unten bzw. umgekehrt in Richtung Schüler geführt, die adäquat ausweichen mussten, um nicht getroffen zu werden. Völlig überraschend wurde auch einem beliebigen Gruppenmitglied das Übungsschwert zugeworfen, das dieser dann mit einer Hand auffangen musste.

 

Danach bekam jede Gruppe die Aufgabe, die erste Form einer Schwert-Kata einzuüben. Dazu wurde nicht mehr mit den dick gepolsterten Übungsschwertern gearbeitet, sondern mit Bokken (Holzschwertern) oder Katanas (japanischen Samurai-Schwertern). Im „normalen“ Unterricht bekommt ein Schüler zum Erlernen dieser Sequenz etwa 2 Monate Zeit, wir „durften“ sie uns innerhalb einer halben Stunde aneignen. Nachdem Großmeister Jang der Ansicht war, dass wir genug geübt hatten, musste jede Gruppe sein erworbenes Können vor seinen kritischen Augen vorführen. Danach wurden die Instruktoren zu einer kurzen Besprechung zusammengerufen.

Die  Übungsschwerter wurden anschließend wieder dazu benutzt, erste kleine Kämpfe auszutragen. In Zweier-Teams mussten die Schüler abwechselnd versuchen, mit dem Schwert das gegnerische Handgelenk zu treffen. Dies erfordert schon eine recht gut entwickelte Reaktion, weil der „Verteidiger“ den Treffer natürlich zu verhindern und den Angriff zu blocken suchte.

 

Danach demonstrierte Großmeister Jang uns seine Schnelligkeit: In einer Reihe stehend durfte jeder Schüler ihn angreifen und versuchen, ihn am Handgelenk zu treffen. Aber so sehr man sich auch bemühte, er war einfach zu schnell für uns!

 

Es folgten noch kleine Bewegungsabläufe, in denen erste komplexere Strukturen mit abwechselnden Angriffen und Verteidigungen durchgeführt wurden, so dass dabei auch die Schrittschule nicht zu kurz kam.

Als Höhepunkt dieser Sequenz stellten sich die Instruktoren in einer Gasse auf. Diese musste von allen Schülern durchlaufen werden. Die Instruktoren führten jedes mal ein Schwerthieb zum Kopf aus, dem der Schüler ausweichen und seinerseits durch ein waagrechten Schwertstreich beantworten musste.

 

Um das „Timing“ mit einem Übungsschwert zu vertiefen, stellten sich die Instruktoren auch in einer Reihe auf und die Schüler mussten mit kurzen senkrechten Schwertstreichen die ausgestreckte Hand treffen. Um von einem Instruktor zum anderen zu kommen, musste dies mit einer vorgeschriebenen Schrittfolge erreicht werden.

 

Nach der Mittagspause waren dann die Bögen an der Reihe.

Als erstes wurde geübt, wie nach Kommando der Pfeil an die Sehne gesetzt, der Bogen samt Pfeil gehoben und dann wiederum auf Kommando der Pfeil abgeschossen wird. Dabei fehlten auch nicht Hinweise zum korrekten Stand, der richtigen Bogenhaltung, der Haltung der Finger, die die Sehne nach hinten ziehen und dem Verhalten nach abgegebenem Schuss.

 

Um die ganze Sache aufzulockern, wurden dann zwei große Gruppen gebildet, die in vorgeschriebenem Abstand voneinander platziert wurden und dann mit den dick gepolsterten Pfeilen aufeinander schießen durften.

Aber keine Angst, die Verletzungsgefahr wurde zusätzlich dadurch verringert, dass jeder Teilnehmer ein Schutzmaske für den Kopf bekam, den kein Pfeil durchdringen konnte. Zusätzlich wurde mit den kleinen „Kinderbögen“ geschossen, die nur über eine sehr geringe Zug- und damit Durchschlagskraft verfügen.

 

Dann stellten sich die Bogenschützen in einer Linie auf und Freiwillige liefen quer zu dieser Linie vorbei. Die  Bogenschützen versuchten mit ihren stark gepolsterten Pfeilen die Läufer zu erwischen, was sich aber als fast unmöglich erwies.

 

So wurde auch bei dieser Übung niemand verletzt, es hatten aber alle ihren Spaß dabei.

 

Als Abschluss des Lehrgangs bekamen alle Teilnehmer nun einen Compoundbogen überreicht. Abhängig von der Körperkraft wurden zwei Gruppen gebildet, wobei die eine die leichteren Bögen mit einer Zugkraft von 25 kg, die andere Bögen mit 45 kg Zugkraft erhielten.

Dann wurde nach Zeit und Bewegung geübt. Nach den Kommandos der Instruktoren musste der Pfeil eingelegt, dann nach einer Schrittfolge und einer 360°-Drehung in der Endposition der Bogen gespannt und der Pfeil abgeschossen werden. Jeder in der Bogentechnik noch Ungeübte musste feststellen, dass es in der kurzen vorgegebenen Zeit gar nicht so einfach ist, den Pfeil korrekt einzulegen, einen Schritt zu machen, sich zu drehen und dann auch noch in die richtigen Richtung zu schießen. So kam es auch mehrfach vor, dass plötzlich schon zu Beginn ein Pfeil einfach zu Boden fiel oder nach Erreichen der Endposition eine lange Orientierungsphase eingeschoben werden musste, ehe der Pfeil abgeschossen wurde.

 

Zum Abschluss des ungewöhnlichen Lehrgangs dankte der 1. Cheftrainer des KSV Dr. Hellmut Münch (5. Dan JJ) Großmeister Jang für sein Erscheinen in Unterwössen und diese interessanten, aber für uns völlig ungewohnten Übungen. Da dies vollkommen neue Eindrücke für uns waren und das Interesse und die Begeisterung für diese Kampfsportart sehr groß war, lud Hellmut Großmeister Jang gleich für nächstes Jahr zu einem Wiederholungslehrgang nach Unterwössen ein. Wenn schon ein Großmeister dieses Kalibers in unserer kleinen Gemeinde auftaucht, darf man so eine Chance nicht ungenutzt verstreichen lassen. Zu unserer Freude sagte Großmeister Jang zu!

 

Nach der offiziellen Verabschiedung der Teilnehmer fanden sich die Kummooyeh-Instruktoren noch zusammen und übten Schwertstreiche mit ihren scharfen Katanas an gewässerten Bambus-Bündeln, die dieselbe Widerstandsfähigkeit wie ein menschlicher Rumpf aufweist. Hier gilt es, möglichst saubere Schnitte anzubringen. Da diese aber nur mit Rasiermesser-scharfen Schwertern möglich ist, bleibt aus Sicherheitsgründen diese Übung den Meistern vorbehalten.

 

Zum Abschluss bleibt nur der Dank an Dirk (Flair Hotel Adersberg) für das gute Catering, so dass alle Teilnehmer gut versorgt waren, an Frank für die Vermittlung des Großmeisters mit seinen Instruktoren und an Hellmut für die Organisation und das Aufstellen seiner privaten Kaffeemaschine.

 

Wieder hat hiermit der KSV Unterwössen bewiesen, dass der „Blick über den Tellerrand“ in diesem Verein kein Fremdwort ist.

 

                                                                                                           Burkhard Küfner, 3. Dan JJ